27. SbE-Jahrestagung: "PSNV-E im Zeichen der Zeitenwende"
Durch die Krisen der letzten Jahre, vor allem aber durch die politischen Gegebenheiten, insbesondere den Angriff auf die Ukraine, hat sich auch das Herausforderungsprofil für die Einsatzkräfte der Feuerwehren, Rettungsdienste und anderer Hilfsorganisationen, sowie auch der Polizeien und für das THW verändert. Seit Monaten ist von der "Zeitenwende" und auch dem lange vermiedenen Begriff "Zivilschutz" die Rede. Vom 7.- 9. Juni 2024 sind wir mit dieser Tagung einen ersten Schritt gegangen, um uns mit dem Thema zu beschäftigen und mögliche Szenarien verantwortlich vorzudenken.
Während der Bevölkerungsschutz in Friedenszeiten als Katastrophenschutz aufgestellt ist, bringt er im Verteidigungsfall unter der Bezeichnung Zivilschutz gänzlich andere Zuständigkeiten und Rechtsgrundlagen mit sich. So gehen beispielsweise Zuständigkeiten auf den Bund über, Einsatzkräfte können zur Unterstützung der Bundeswehr eingesetzt werden u.v.m. Unter der Überschrift "Die Welt danach ist nicht mehr dieselbe wie die Welt davor" hat Thomas Knoch, Leiter (komm.) des Referats Psychosoziales Krisenmanagement im Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) uns in Grundlagen eingeführt und daraus Überlegungen abgeleitet, was dies für die PSNV (-E) bedeuten könnte.
Als Konkretion des Themas hörten wir einen Vortrag über "Tod und schwere Verletzung in besonderen Lagen - Herausforderungen und Qualifizierungsbedarf in der Polizei und für BOS der nicht-polizeilichen Gefahrenabwehr". Regierungsrat Moritz Hafer (M.Sc.), Polizeipsychologe an der Bundespolizeiakademie Lübeck, hat als Arbeitsschwerpunkt Notfall- und Einsatzpsychologie und Mental Coaching für besondere Lagen und schult PSNV-E innerhalb der Bundespolizei. Polizeihauptkommissar Tobias Zoll beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit PSNV und Führen in Hochstress-Szenarien. Beide haben über Rahmen, Einsatzgrundlagen und Vorgehen in besonderen Lagen informiert und einzelne Aufgaben und Schulungsbedarf für Peers innerhalb der Polizei und für Feuerwehr und Rettungsdienst aufgelistet.
Selten kommt ein Arbeitsgebiet in den Blick, in dem gleichwohl bei weltweit 1,9 Mio. Beschäftigten ein sehr hohes Belastungsprofil zu verzeichnen ist: Seeleute transportieren 90% unserer Güter und sind sowohl im Alltag auf den Schiffen als auch durch spezielle Gefährdungen wie Piraterie hohen Belastungen ausgesetzt. Auch hier haben die letzten Monate besorgniserregende Veränderungen gebracht (Rotes Meer). Seit 2016 gibt es ein SbE-ausgebildetes Team der Deutschen Seemannsmission, das u.a. bei der Quarantäne des TUI-Schiffs "Mein Schiff 3" 2020 und der Schiffskollision im Herbst 2023 in der Deutschen Bucht eingesetzt waren. Diakon Dirk Obermann koordiniert die PSNV der Deutschen Seemannsmission und berichtete uns über "Belastungen von Seeleuten und Möglichkeiten der Unterstützung".
Nachdem die SbE-Bundesvereinigung jahrelang wissenschaftlich von der LMU Department Psychologie begleitet wurde, z.B. durch die großen empirischen Studien zu Debriefings und Primärer Prävention 2003-2006, konnte diese Kooperation wegen des Weggangs von Dr. Marion Koll-Krüsmann aus der LMU nicht mehr mit Leben gefüllt werden. Deswegen ergab sich nun die Chance, eine andere Verbindung zu vertiefen und verbindlich zu vereinbaren: Arbeit und Ausbildung werden künftig intensiv begleitet werden durch das Institute for Psychosocial Crisis Management an der Medical School Hamburg. Dessen Leiter, Prof. Dr. Harald Karutz und der SbE-Institutsleiter Oliver Gengenbach stellten die Kooperation vor.
Ähnlich wie für die PSNV-B gibt es seit einiger Zeit Bestrebungen, Mindeststandards für die PSNV-E festzulegen. Die durch die SbE-Bundesvereinigung begründeten Standards haben in Gänze Eingang gefunden in die 2010 veröffentlichten Qualitätsstandards und Leitlinien für die PSNV, wie sie die Konsensuskonferenz des BBK verabschiedet hat. Wir wurden nun erneut gebeten, in der Länderübergreifenden Facharbeitsgruppe PSNV (Leitung Heiko Fischer) das SbE-Curriculum darzustellen. Ralf Radix, ehemaliger Vorsitzender der Ev. Konferenz für Notfallseelsorge in der Ev. Kirche in Deutschland und SbE-Trainer hatte im Märzan der letzten Sitzung teilgenommen und berichtete über die aktuellen Überlegungen in der Arbeitsgruppe.
Auf vielfachen Wunsch in den letzten Jahren hatten wir am Nachmittag unter dem Titel "Lust und Frust in unseren Teams - Austausch in Gruppen über Herausforderungen und Erfolge, Einsätze und Teampflege" Gelegenheit zum Erfahrungsaustausch.
Am Samstagabend veranstaltete der Vorstand einen Abend der Begegnung und es war ein besonderer Überraschungsabend für Oliver Gengenbach anlässlich seiner Verabschiedung nach 21 Jahren als Vorsitzender der SbE-Bundesvereinigung. Sein langjähriges Wirken und Schaffen seit Gründung des SbE e.V. im Jahr 1996 wurde in Grußworten von geladenen (Überraschungs-)Ehrengästen gewürdigt. Ein weiterer Höhepunkt des Abends war sicherlich die "Oskar"-Verleihung für sein Lebenswerk samt Laudatio von Dr. Jutta Helmerichs. Durch das Programm führten Beate Grziwotz-Heller und Peter Zehentner, gerahmt wurde der Abend von toller Live-Dudelsackmusik. Ein wirklich gelungener "Abschied ohne Abschied": Denn nun wird Oliver Gengenbach sich auf seine Aufgaben als Leiter des SbE-Instituts konzentrieren.
Kooperation SbE-Institut und Institute for Psychosocial Crisis Management, Medical School Hamburg
Mindeststandards in der PSNV-E: Überlegungen in der Länderübergreifenden Arbeitsgruppe LüFAG PSNV